StuPa-Wahlkampf der IYSSE an der Humboldt-Universität

Studierende in Berlin gegen Aufrüstung und rechte Gewalt

Im Rahmen des Wahlkampfs zum Studierendenparlament der Humboldt-Universität diskutierten Mitglieder und Unterstützer der IYSSE in den letzten Tagen mit hunderten Studierenden über die immense Aufrüstung der Bundeswehr, die Kriegspolitik von Deutschland und den anderen imperialistischen Mächten, und die rechten Angriffe auf kritische Studierende an der Universität.

Die trotzkistische Jugend- und Studierendenorganisation tritt zu den Wahlen an, „um eine sozialistische Bewegung gegen Krieg, soziale Ungleichheit und den Aufstieg der extremen Rechten aufzubauen“, wie es im Wahlaufruf heißt. Auf der ersten Wahlveranstaltung am kommenden Montag will die Gruppe unter dem Titel „Stoppt den Krieg! 100 Milliarden Euro für Bildung und Gesundheit, statt für Aufrüstung!“ mit allen Interessierten über die Gefahr eines Dritten Weltkriegs und die Notwendigkeit einer internationalen Antikriegsbewegung diskutieren.

Zudem hat sich die Fraktion der IYSSE im StuPa in einem offenen Brief an die Universitätsleitung gewandt, um gegen deren Unterstützung für den rechtsradikalen Professor Jörg Baberowski zu protestieren. Baberowski nutzt seine Position an der Universität, um gegen Flüchtlinge zu hetzen, für brutale Kriege zu trommeln und die Verbrechen der Nazis zu verharmlosen. Im Zuge der Stupa-Wahlen 2020 hatte er einen IYSSE-Abgeordneten tätlich angegriffen.

„Ich finde es wirklich krass, dass so jemand die Erlaubnis hat, weiter zu lehren“, erklärte etwa Franziska (24), die an der HU Grundschullehramt in den Fächern Deutsch, Mathematik und Sachunterricht studiert. „Ich befasse mich selbst mit dem Thema Nationalsozialismus und Holocaust im Grundschulunterricht und bin mir nicht sicher, ob das unter ‚Freiheit der Lehre‘ fallen kann.“

Auch die 100 Milliarden für die Bundeswehr lehnt sie ab. „Ich denke, ein solches Aufrüstungsprogramm ist nicht richtig, vor allem wenn ich an die Pandemie und ihre wirtschaftlichen Verwerfungen denke.“

„Aufgrund der hohen Mieten wohne ich noch zu Hause und meine Eltern gehören beide zur Risikogruppe. Ich musste mich sehr stark einschränken, weil ich sie auf keinen Fall gefährden wollte. Viel von dem Geld würde ich in die völlig veralteten Schulen investieren. Die Kinder hätten so viel davon! Man könnte so viele Defizite ausgleichen, wenn man auch nur einen Teil dieses Geldes dort investieren würde – und in die Gesundheitsvorsorge!“

Annkathrin studiert Public Health an der Charité und sagt: „Ich habe ein sehr negatives Gefühl gegenüber dem Sondervermögen, in gesamteuropäischer Hinsicht aber auch im Kontext der deutschen Historie.“

„Es widerspricht vollständig meiner pazifistischen Grundeinstellung. 100 Milliarden sind ein so hoher Betrag, dass man ihn gar nicht fassen kann. Es gibt so viele Bereiche, die mindestens einen solchen Betrag bräuchten, ihn aber nicht bekommen, z.B. die Pflege, die Bildung oder der Klimaschutz!“

Carla studiert an der HU Sozialwissenschaften im 2. Semester. „Ich finde es krass, dass dieses Geld einfach so verfügbar ist, aber gegen dringende Probleme wie Armut und Klimawandel nichts gemacht wird. 100 Milliarden wären das Minimum, um den Klimawandel aufzuhalten, die Bildung zu stärken und soziale und globale Ungerechtigkeit zu bekämpfen.

Die Kosten des Krieges, so Carla, würden in jeder Hinsicht auf die Arbeiter abgewälzt: „Die Besteuerung ist sowieso schon ungerecht. Jetzt werden alle nochmal zur Kasse gebeten, obwohl die Ärmeren während Corona sowieso mehr gelitten haben als die Vermögenden.“

„Ich bin nicht der Meinung, dass Waffenlieferungen Kriege beenden – im Gegenteil. Bei den ganzen Waffenlieferungen bekomme ich Angst vor einer Gewaltspirale. Die Grünen sind schon länger keine Antikriegspartei mehr.“

„Es macht mir auch Angst, dass wir auf den dritten Weltkrieg zusteuern. Besonders das FCAS [Future Combat Air System] ist eine Grenzüberschreitung, die [Kampfflugzeuge] können Atombomben abwerfen. Dass Deutschland einen Atomkrieg führen kann, lehne ich ab.“

„Ich würde aber auch die Amerikaner nicht unterstützen. Auch auf Seiten der Nato herrscht viel Ideologie und man sollte nicht alles glauben, was da gesagt wird.“

Am HU-Campus Adlershof sprachen Mitglieder der IYSSE mit Nina, die Informatik studiert. Auf die Kriegspolitik der Bundesregierung angesprochen, sagt sie: „Sie bereiten sich auf einen Krieg vor und wollen Geld verdienen, indem sie die [osteuropäischen] Länder mit Panzern beliefern.“

„Man sollte das Geld in Bildung und Gesundheit investieren, Kinder und Alleinerziehende unterstützen. Viele Kinder und alte Menschen warten auf lebenswichtige Behandlungen. Es gibt viele Dinge, in die das Geld fließen könnte.“

„Man könnte auch die Löhne erhöhen. Es wird immer gesagt: ‚Wir haben kein Geld‘, aber dann haben sie für Waffen Geld. Es läuft langsam wieder in die Richtung von vor 80 Jahren. Deutschland will wieder Macht haben über andere Länder und ganz Europa.“

Zu Baberowski fragt Nina: „Wer hat ihn eingestellt und wieso ist diese Person immer noch an der Uni tätig? Ist er so wichtig für seinen Studiengang? Ich weiß nicht, warum die Uni das erlaubt und nicht handelt. Es ist in jeder Hinsicht falsch!“ Sie fügt hinzu:

„Als Studierende würde ich mich wie ein Mensch zweiter Klasse fühlen, wenn jemand so etwas tut und die Unileitung nichts dagegen unternimmt. Ich wünsche euch viel Glück und hoffe, dass ihr eure Ziele erreicht und euch viele Studierende unterstützen.“

Auch Studierende von anderen Universitäten sprachen auf dem Campus mit Mitgliedern der IYSSE. Ali studiert Wirtschaftsingenieurwesen an der HTW und sagt: „Jedes Land will sich gerade extrem aufrüsten. Die Investitionen steigen von Jahr zu Jahr, es herrscht ein Wettrüsten.“

„Es ist mir unerklärlich, Waffen zu kaufen“, sagt Ali. „Wenn es nach mir geht, müssten diese Wirtschaftszweige völlig eliminiert werden. Wenn dadurch Milliardenprofite wegfallen, dann sei es so. Ich finde es sehr gut, dass sich immer mehr Leute dagegen aussprechen und hoffe, es werden immer mehr.“

„Es muss viel mehr Transparenz und viel mehr Stimmrecht herrschen. Man könnte eine weltweite Umfrage starten: Bist du einverstanden, dass 100 Milliarden in Waffen investiert werden? Wenn die Gesellschaft entscheiden würde, wo das Geld hin gehen soll, wären über 50 Prozent dagegen.“

„Es muss viel mehr Gemeinsamkeit geschaffen und gefördert werden, in vielen Bereichen. Ziel muss sein, die Grenzen unsichtbar zu machen und global zu handeln. Sei es gegen den Krieg oder gegen den Klimawandel.“

„Seit das Internet da ist, könnte es viel mehr gesellschaftliche Teilhabe geben. Man könnte ein globales Stimmrecht einführen. Die Technologie ist da, aber es ist nicht gewollt, weil die jetzigen Machthaber ihre Position verlieren würden.“

Zu Baberowski sagt Ali: „Ich finde, solche Menschen bewegen sich nicht mit der Zeit. Die Geschichte hat gezeigt, das Nationalismus heute nicht mehr weiterführt. So ist es auch mit dem Kapitalismus. Jeder weiß, dass er am Ende ist.“

Haroun, der zu uns auf Englisch spricht, kennt die IYSSE bereits von seinem Studium am KIT in Karlsruhe und hat sie damals bereits unterstützt. Er studiert jetzt an der TU in Berlin und lehnt den Krieg und die deutsche Aufrüstung ab.

In Ägypten, wo seine Eltern leben, gebe es viele Sympathien für Russland, da man die Lügen und „Menschenrechts“-Heuchelei der EU und der Vereinigten Staaten zur Genüge kenne. „Dieselben Regierungen greifen nun Russland zur Ukraine an, schweigen aber seit Jahren zu Palästina“, sagt Haroun. „Ich selbst halte jedoch nichts vom Putin-Regime. Es ist genauso kapitalistisch.“

Felix studiert VWL an der Freien Universität. Er sagt: „Als Nato haben wir doch schon das 70-fache des Arsenals von Russland und Europa ist doch bereits eine Festung. Russlands Armee hat sich manchen Experten zufolge in der Ukraine als ‚Papiertiger‘ erwiesen – das macht das Gerede von ‚Abschreckung‘ umso absurder.“

„In Wirklichkeit geht es um die imperialen Bestrebungen der jeweils herrschenden Klasse. Dem Durchschnittsbürger nützt die Aufrüstung nichts und der Konflikt schon gar nichts. Die imperialistische Logik ist generell abzulehnen.“

Zum Vorgehen der HU-Leitung im Fall Baberowski sagt Felix: „Es ist lächerlich, dass die HU solche Leute immer noch schützt und in ihren Reihen hält. Was soll er noch machen, bis man sich von ihm distanziert? Ich bin eigentlich nicht dafür, den Diskurs einzuschränken. Aber hier sollte eine Grenze gezogen werden: Er prägt viele Leute und was er vertritt, ist offensichtlich menschenfeindlich.“

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