Humboldt-Universität hetzt Polizei auf friedliches Gaza-Sit-In

Am Freitagmittag versammelten sich rund 150 Studierende zu einem Sit-In vor dem Eingang der Berliner Humboldt-Universität, um ein Ende des Genozids in Gaza zu fordern. Die Universität hatte sich mit Beginn des Massakers umgehend mit der israelischen Seite solidarisch erklärt und kritische Veranstaltungen gegen das Massaker verboten.

View post on TikTok

Die Versammlung war von Studierenden der Student Coalition Berlin und anderen Gruppen initiiert worden. Die Protestierenden forderten einen sofortigen Waffenstillstand, ein Ende der deutschen und westlichen Waffenlieferungen an Israel, umfassende humanitäre Hilfe für die Menschen in Gaza und demokratische Rechte für alle Palästinenserinnen und Palästinenser.

Sobald sich die Nachricht von der Versammlung in den sozialen Medien verbreitet hatte, rückte die Polizei mit dutzenden Beamten an und riegelte in Übereinstimmung mit der Universitätsleitung das Campusgelände ab. Eine spontane Versammlung von Unterstützern des Sit-Ins wurde abgetrennt, zwischenzeitlich konnte niemand den Innenhof betreten und an der Demonstration teilnehmen. Auch Studierenden, die sich auswiesen und angaben, an Seminaren im Gebäude teilnehmen zu wollen, wurde auf Verdacht der Zutritt verwehrt, wenn sie beispielsweise eine Kufiya trugen. Auch im Hauptgebäude der Universität waren Beamte postiert.

Selbst die an die Mensa angrenzende Cafeteria wurde von einer Polizeitruppe bewacht, sodass sich der gesamte Universitätscampus über Stunden faktisch unter polizeilicher Belagerung befand. Eine Mitarbeiterin des Sicherheitsdienstes der Universität, die bereits im Dezember bei einer angemeldeten studentische Kundgebung versucht hatte, Rednern das Mikrofon aus der Hand zu reißen, ging erneut tätlich gegen eine Sprecherin des Vereins „Jüdische Stimme für gerechten Frieden in Nahost“ vor.

HU-Präsidentin Julia von Blumenthal (rechts hinten) bespricht sich mit Polizeibeamten während des Sit-Ins an der Humboldt-Universität, 03.05.2024

HU-Präsidentin Julia von Blumenthal war während dieser Ereignisse anwesend. Sie ergriff selbst ein Megafon, um den Protest der Studierenden zu verurteilen und zu verlangen, dass das „Gebrüll“ beendet werde. Auf die Frage, was sie zu den verlesenen Forderungen und den rund 40.000 toten Menschen in Gaza zu sagen habe, verweigerte sie zunächst eine Stellungnahme und erklärte schließlich: „Mein Mitgefühl geht an die Geiseln der Hamas.“

Diese kaum verhüllte Unterstützung der israelischen Kriegführung liegt auf einer Linie mit der bisherigen Bilanz der Humboldt-Universität, die als Zentrum von Kriegspropaganda berüchtigt ist. Präsidentin von Blumenthal befürwortet darüber hinaus die verschärfte Wiedereinführung des Ordnungsrechts inklusive der Möglichkeit, Studierende auf politischer Grundlage zu exmatrikulieren.

„Germany funds genocide in Gaza“, Protest an der Humboldt-Universität, 03.05.2024

Von Blumenthals Forderung, dass der Protest einem „Dialog“ weichen müsse, wurde von einer Studentin zurückgewiesen, die sie damit konfrontierte, dass die Universitätsleitung sich geweigert hatte, der Hochschulgruppe der International Youth and Students for Social Equality (IYSSE) einen Raum für eine Veranstaltung gegen das Massaker in Gaza zur Verfügung zu stellen. Daraufhin erklärte von Blumenthal, wenn die Protestierenden „jetzt nicht friedlich gehen, mache ich von meinem Hausrecht Gebrauch“.

So kam es. Gegen 16:30 Uhr schritt die Polizei zur gewaltsamen Auflösung der völlig friedlichen studentischen Versammlung. Studierende wurden einzeln mit Schmerzgriffen festgenommen und abtransportiert. Dasselbe brutale Vorgehen hatte die Polizei nur wenige Tage zuvor bei der Auflösung des Gaza-Protestcamps vor dem Bundestag angewandt.

Protestteilnehmer, mit denen Mitglieder der IYSSE sprachen, solidarisierten sich mit ihren Kommilitonen in den Vereinigten Staaten, die an den amerikanischen Universitäten ebenfalls gegen den Genozid in Gaza protestieren. Die Polizei setzt dort inzwischen Schusswaffen gegen Studierende ein und sogar mehrere Professorinnen gewaltsam festgenommen. Im Gespräch mit den Protestierende rief die IYSSE dazu auf, die Arbeiterklasse gegen Imperialismus und Krieg zu mobilisieren.

Christopher von den IYSSE an der HU erklärte in einem Statement bei dem Sit-In: „Die IYSSE unterstützt die mutigen Proteste der Studierenden an der HU. Es darf nicht zugelassen werden, dass Uni-Präsidentin Blumenthal jede Kritik an dem schrecklichen Genozid in Gaza vom Campus verbannt und gleichzeitig den rechtsradikalen Professor Baberowski schützt, der erklärt, dass Hitler nicht garausam und der Holocaust im wesentlichen das Gleiche wie Erschießungen im russischen Bürgerkrieg gewesen sei.“

Er rief insbesondere die Universitätsmitarbeiter auf, die Arbeit niederzulegen und die Studierenden zu verteidigen. „Das Ziel muss ein landesweiter und internationaler Streik sein, der den Angriff auf das Grundrecht der Redefreiheit beenden wird. Letztlich werden die Fragen, um die es jetzt geht, nicht auf dem Campus ausgefochten – sondern in den Betrieben und Lagerhallen, bei der Bahn und in den Häfen. Die Arbeiterklasse, die mächtigste soziale Kraft auf Erden, die durch ihre Arbeit allen Reichtum schafft, muss diese Macht nutzen, um das Ende von Genozid und Krieg zu erzwingen.“

Loading