Wir veröffentlichen hier den Bericht von Tom Mackaman an den achten Parteitag der Socialist Equality Party (US). Der Parteitag fand vom 4. bis 9. August 2024 statt und nahm einstimmig zwei Resolutionen an, „Die Präsidentschaftswahlen von 2024 und die Aufgaben der Socialist Equality Party“ und „Freiheit für Bogdan Syrotjuk!“
Weitere Berichte auf dem Parteitag sind unter diesem Artikel verlinkt.
Auch ich möchte meine Unterstützung für unsere Parteitagsresolution „Die Präsidentschaftswahlen von 2024 und die Aufgaben der Socialist Equality Party“ zum Ausdruck bringen. Insbesondere beziehe ich mich auf Punkt 3, in dem es heißt:
In der gegenwärtigen Weltlage bleibt die Theorie der Permanenten Revolution die wesentliche theoretische Grundlage der revolutionären Strategie. Sie wurde von Leo Trotzki erstmals nach der Revolution von 1905 in Russland formuliert und ab 1923/24 im Laufe des Kampfs gegen die stalinistische Bürokratie und ihre nationalistische Zurückweisung des marxistischen Internationalismus weiterentwickelt. Trotzki bestand darauf, dass 1) in allen Ländern der Kampf für Demokratie und ihre Verteidigung nicht vom Kampf für den Aufbau der Arbeitermacht und die Durchsetzung sozialistischer Politik getrennt werden können und 2) der Kampf für Sozialismus auf der Grundlage einer internationalen Strategie geführt wird, die darauf ausgerichtet ist, die Arbeiterklasse weltweit gegen das kapitalistische Weltsystem zu mobilisieren.
Eingangs möchte ich auf zwei Jubiläen hinweisen, von denen das eine erst vor kurzem und das andere vor 250 Jahren begangen wurde.
Im August vor fünf Jahren veröffentlichte die New York Times das sogenannte „1619 Project“. Künftigen Historikern dürfte ins Auge fallen, dass das Flaggschiff des amerikanischen Liberalismus schon Monate vor Donald Trumps faschistischem Putschversuch im Januar 2021 – der in aller Öffentlichkeit geplant wurde – eine groß angelegte Geschichtsfälschungskampagne startete, die darauf abzielte, die beiden amerikanischen Revolutionen (den Unabhängigkeitskrieg und den Bürgerkrieg) zu diskreditieren, d. h. genau die Ereignisse, mit denen die amerikanische Republik und Demokratie geschaffen wurden.
Die zentrale Behauptung dieses groß angelegten kommerziell-politischen Unterfangens lautete, dass die „eigentliche Gründung“ der Vereinigten Staaten nicht im Jahr 1776 stattgefunden habe. Das eigentliche Gründungsjahr sei 1619, als zum ersten Mal Sklaven in die Kolonie Virginia gebracht wurden. Weiter wurde mit dem „1619 Project“ die Ansicht vertreten, dass der Unabhängigkeitskrieg im Grunde eine Konterrevolution gewesen sei, mit der die Sklaverei gegen die Emanzipationsbestrebungen des britischen Empire verteidigt werden sollte. Mit anderen Worten: In den USA habe es nie eine demokratische Revolution gegeben. Dies gelte sowohl für die Amerikanische Revolution als auch für den Bürgerkrieg, der lediglich ein Kampf unter rassistischen Brüdern gewesen sei.
Hier ist nicht der Ort, unsere Arbeit zur Beantwortung des 1619 Project noch einmal zusammenzufassen. Ihr wisst, dass es die WSWS war, die die Times entlarvt und in Misskredit gebracht hat. Mit anderen Worten, es war das bewusste Element der Arbeiterklasse, das für die Verteidigung der demokratischen Errungenschaften der ersten beiden amerikanischen Revolutionen eintrat. Niemand außer uns, zusammen mit einer Handvoll aufrichtiger Historiker, setzte sich dafür ein. Ich werde später auf diese bedeutsame Tatsache zurückkommen, denn sie bildet den unabdingbaren historischen Aspekt des größeren Kampfs, auf den in unserer Hauptresolution mit dem Verweis auf die permanente Revolution Bezug genommen wird: Die Verteidigung der demokratischen Grundrechte ist untrennbar mit dem Kampf für Sozialismus verbunden, nicht nur in den USA, sondern überall auf der Welt.
Uns allen ist bewusst, dass wir heute nicht als Individuen hier versammelt sind. Wir sind Delegierte, die die Arbeiterklasse vertreten. Unsere Beratungen zielen darauf ab, ein revolutionäres Programm, eine Perspektive und eine Führung für die Arbeiterklasse für die kommende Periode zu schaffen, die voller revolutionärer Möglichkeiten steckt.
Das bringt mich zu dem zweiten Jahrestag: Heute vor 250 Jahren machte sich eine andere Gruppe von Delegierten auf den Weg entlang der britischen Kolonien an der Ostküste Nordamerikas. Sie reisten zu einem revolutionären Kongress anderer Art, dem Ersten Kontinentalkongress, der am 5. September 1774 in der Carpenters Guild Hall in Philadelphia tagte.
Der Kontinentalkongress war als Reaktion auf die so genannten Intolerable Acts (Unerträgliche Gesetze) oder Coercive Acts (Zwangsgesetze) einberufen worden Diese Gesetze, die das britische Parlament in der ersten Hälfte des Jahres 1774 verabschiedet hatte, betrafen Boston, das damals zwar nur 15.000 Einwohner hatte, aber die drittgrößte Stadt Nordamerikas war. Der Hafen war in den Jahren der Krise des britischen Empire, die 1765 mit dem Widerstand gegen den Stamp Act (Stempelsteuergesetz) begann, zum Zentrum der Agitation gegen das Parlament geworden. Einen Höhepunkt erreichte der Widerstand der Bostoner mit der Boston Tea Party 1773. Aus Protest gegen das königliche Monopol der East India Company wurden deren Teekisten in den Hafen gekippt.
Zur Vergeltung erließ das Parlament mit Zustimmung von König Georg III. den Boston Port Act, den Massachusetts Government Act, den Administration of Justice Act, den Quartering Act und, wenn auch mit etwas anderem Ursprung, den Quebec Act. Mit dem ersten dieser Gesetze, dem Boston Port Act, wurde eine Blockade über den Bostoner Hafen verhängt. Mit dem zweiten wurden die örtlichen Vertretungsorgane ausgehebelt. Das dritte verlieh dem königlichen Gouverneur von Massachusetts das Vorrecht, Geschworenenprozesse nach Großbritannien zu verlegen, um die Justiz des Königs effizienter umzusetzen. Der Quartering Act galt für alle Kolonien und enthielt neue Vorschriften für die Einquartierung des verhassten stehenden Heeres. Der Quebec Act dehnte das Territorium von Quebec weit nach Süden, bis zum Ohio River aus. Damit wurde signalisiert, dass das britische Empire beabsichtigte, das riesige nordamerikanische Hinterland so zu regieren, wie es die absolutistische französische Monarchie vor ihrer Niederlage gegen die Angloamerikaner im Siebenjährigen Krieg (1754 bis 1763) getan hatte: als ein Gebiet mit unumstößlicher königlicher Autorität, in dem monarchischer Besitz und merkantilistische Wirtschaftsbeziehungen, vor allem die Kontrolle über den Pelzhandel, aufrechterhalten werden sollten.
Das britische Parlament und der Kronrat hatten gehofft, an Boston ein Exempel statuieren zu können, um die Kolonisten und alle Radikalen in England einzuschüchtern. Die Reaktion der Amerikaner war überwältigend. Von den nördlichen Ausläufern Neuenglands, dem späteren Vermont, bis hinunter nach Georgia, in den Städten und auf dem Lande, bezog das Volk Stellung gegen die königliche Autorität. Überall mussten die königlichen Beamten in hilflosem Entsetzen mit ansehen, wie neue Regierungsformen entstanden – Ausschüsse für öffentliche Sicherheit, Korrespondenzausschüsse und verschiedene Zunftgruppen unter den Handwerkern und denen, die sich „Sons of Liberty“ nannten. Eine Situation der Doppelherrschaft war entstanden.
Aus dieser Bewegung heraus wurden Delegierte in die beiden 1774 und 1775 einberufenen Kontinentalkongresse entsandt, die wir als „Gründerväter“ kennen: die Cousins John und Samuel Adams aus Massachusetts; Alexander Hamilton und John Jay aus New York; Benjamin Franklin und Benjamin Rush aus Pennsylvania; George Washington, Thomas Jefferson, Patrick Henry, George Mason und James Madison aus Virginia; und viele andere. Allein schon die Nennung dieser Namen lässt einen spüren, wie tief die Qualitäten der „Staatsmänner“ seither gesunken sind!
Der Erste Kontinentalkongress ging nicht so weit, die Unabhängigkeit zu erklären. Unter der Führung eines Blocks konservativer Mitglieder aus den mittelatlantischen Kolonien, die von John Dickinson angeführt wurden, bekräftigte er in seiner Erklärung und seinen Entschließungen das Recht der Kolonisten, sich als Engländer unabhängig vom britischen Parlament, aber immer noch als Untertanen des Königs, selbst Gesetze zu geben. Die Erklärung schloss mit der Billigung einer Petition an den König – ein ritueller Akt der Unterwerfung, wie er in der Geschichte der Monarchie häufig vorkommt. Ihr wisst vermutlich, dass das Ereignis, das den Ausbruch der Russischen Revolution von 1905 auslöste, der sogenannte „Blutsonntag“ war: Am 22. Januar wollte der Pope Gapon an der Spitze einer friedlichen Arbeiterdemonstration in St. Petersburg dem Zaren eine Petition überbringen. Der Zug wurde vor dem Winterpalast von der berittenen Zarengarde mit Säbeln angegriffen und mit Gewehren beschossen. Hunderte wurden getötet oder verwundet.
König Georg III. war 1774 ebenso wenig geneigt, die Bitten aufmüpfiger Untertanen zu erhören, wie Zar Nikolaus II. im Jahr 1905. Der König konnte keine Zweiteilung der parlamentarischen Souveränität dulden, die gemäß der damaligen britischen Verfassung das Instrument seiner Macht darstellte. Stattdessen befand das Parlament am 9. Februar 1775, dass sich Massachusetts im Zustand der Rebellion befinde. Unter dem neu ernannten Militärgouverneur der Kolonie, General Sir Thomas Gage, wurden Tausende britischer Soldaten nach Boston entsandt und die Blockade des Hafens verstärkt. Wie später die Kosaken des Zaren hatten auch die Rotröcke des Königs den Befehl, Widerstand mit Gewalt niederzuschlagen.
Das war der Tropfen, der das Fass zum Überlaufen brachte. In der Theorie des Gesellschaftsvertrags, die zuerst von Thomas Hobbes im Anschluss an den englischen Bürgerkrieg um 1600 entwickelt und dann von John Locke und anderen Denkern der Aufklärung um 1700 verfeinert worden war, begründete sich die Macht von Monarchen und Regierungen auf eine Art Vertrag, der aus dem Naturzustand hervorgegangen war. Ein solcher Vertrag basierte auf dem Tausch von Loyalität gegen Schutz: Die Untertanen hielten dem König die Treue; im Gegenzug gewährte der König ihnen Schutz. Als der König im Winter 1774 und im Frühjahr 1775 die Armee nach Boston schickte, entzog er den Kolonisten diesen Schutz. Die Kolonisten entzogen ihm daraufhin ihre Loyalität. Die Bühne für eine Revolution war bereitet. Um eine offenkundige Parallele zu heute zu ziehen: Kann jemand noch daran zweifeln, dass die herrschende Klasse Amerikas der Bevölkerung den Schutz entzogen hat, indem sie der Covid-19-Pandemie freien Lauf lässt – bis hin zum Verbot, die Kranken und Toten zu zählen – und zudem blindlings auf einen nuklearen Weltuntergang zusteuert?
Es ist nicht möglich, an dieser Stelle ausführlich die Kämpfe von 1775 bis 1781 zu schildern. Ich möchte nur festhalten, dass die heftige Reaktion Großbritanniens auf Boston und die Weigerung des Königs, einen Kompromiss einzugehen, zu einem weitaus radikaleren Ergebnis führte, als es sich selbst 1774 noch abgezeichnet hatte. Ein unmittelbares Ergebnis war die vom Zweiten Kontinentalkongress verabschiedete Unabhängigkeitserklärung mit ihrem Bekenntnis zur Gleichheit der Menschen – heute so revolutionär wie 1776, mit all ihren explosiven Implikationen. Ein weiteres Ergebnis war, dass reformorientierte amerikanische Persönlichkeiten wie Dickinson, die gehofft hatten, den Status der Kolonien als gleichberechtigte Mitglieder des Empire aufrechtzuerhalten, ihren Einfluss verloren. An ihre Stelle traten die kühnsten revolutionären Denker und Agitatoren, wie Tom Paine, der der gesamten Welt des Adels den Krieg erklären wollte.
Im weiteren Verlauf nahm die Amerikanische Revolution den Charakter eines Kampfs an, in dem es nicht so sehr um die Herrschaft im eigenen Land ging, sondern darum, wer im eigenen Land herrschen würde – um einen Ausdruck zu verwenden, den der Historiker Carl Becker vor langer Zeit geprägt hat. Die oberen Ränge der kolonialen Gesellschaft waren im Allgemeinen diejenigen, die am engsten mit der königlichen Autorität verbunden waren. Sie sicherten sich ihre Positionen durch monarchische Dispensen und waren daher im wahrsten Sinne des Wortes buchstäblich vom König abhängig. Ihre Ämter wurden wie Eigentum behandelt – ein aristokratisches Prinzip, das jetzt in den USA mit voller Wucht zurückkehrt! Es überrascht nicht, dass diese Kolonialaristokraten und diejenigen, die sie persönlich an sich binden konnten, im Revolutionskrieg die Loyalisten bildeten. Die Loyalisten, die wahrscheinlich 20 Prozent der Bevölkerung ausmachten, wurden nach heftigen Kämpfen besiegt.
Die meisten flohen nach Kanada, auf die Britisch-Westindischen Inseln und in ihr Heimatland. Der Konflikt zerriss nicht wenige Familien. Benjamin Franklins einziger überlebender Sohn William, der zu Beginn des Krieges königlicher Gouverneur von New Jersey war, blieb Loyalist, wurde in einem Gefängnis der Patrioten inhaftiert – er erhielt keine Hilfe von seinem berühmten Vater, von dem er sich losgesagt hatte – und floh schließlich nach England. Die beiden haben sich nie versöhnt. Die Revolution vertrieb die Monarchisten und beseitigte feudal-aristokratische Eigentumsformen in den Kolonien, d. h. den königlichen und aristokratischen Grundbesitz (Pennsylvania war beispielsweise eine Kolonie im Eigentum der Familie Penn gewesen), das Erstgeburtsrecht und die Erbfolge sowie den Besitz öffentlicher Ämter.
In Amerika – dem äußersten Rand dessen, was man in Europa als „zivilisierte Welt“ betrachtete – war die Monarchie in der Tat schwach. Aber es war dennoch eine monarchische Gesellschaft, die sich vom König abwärts durch eine lange Reihe von Abhängigkeiten bis hin zu Vertragsknechtschaft und Sklaverei erstreckte. Die Monarchie war schwach, aber deswegen nicht weniger real. In Anlehnung an Lenins Worte über Russland aus dem Jahr 1917 könnte man sagen, dass die Kette der feudalen Weltordnung 1776 an ihrem schwächsten Glied brach – in Amerika. Aber damit war die Kette gebrochen, und es dauerte nicht lange – um genau zu sein, 13 Jahre und 10 Tage –, bis sie aufgrund der angestauten Spannung auf die andere Seite des Atlantik schnellte und das Herz des Ancien Régime traf: Am 14. Juli 1789 fiel die Bastille in Paris.
In diesem Sinne – in ihrer fortschrittlichen Rolle in der Weltgeschichte – gehen die Unabhängigkeitserklärung und die Amerikanische Revolution über die Schranken ihrer Zeit hinaus und finden bis heute Anklang bei fortschrittlichen Kräfte in der Gesellschaft. Aus diesem Grund stellte Marx in einem Brief an Lincoln fest, dass am Schicksal der Union im Bürgerkrieg das Geschick der Arbeiterklasse hing; und Lenin nannte 1918 in einem Brief an die amerikanischen Arbeiter die Amerikanische Revolution „einen jener wirklich revolutionären Befreiungskriege…, deren es so wenige gab neben der ungeheuren Anzahl von Raubkriegen“.
Und es ist der auch Grund, warum David North, als er 1995 die Gründung der Socialist Equality Party vorstellte, diese wichtige neue Entwicklung des IKVI zum Teil in der revolutionären Geschichte Amerikas verankern konnte:
Die Forderung nach sozialer Gleichheit fasst nicht nur das grundlegende Ziel der sozialistischen Bewegung zusammen. Sie belebt auch die egalitären Traditionen wieder, die tief in den wahrhaft demokratischen und revolutionären Traditionen der amerikanischen Arbeiter verwurzelt sind. Alle großen sozialen Kräfte der amerikanischen Geschichte hatten sich die Forderung nach sozialer Gleichheit auf die Fahnen geschrieben. Es ist kein Zufall, dass heute, unter den vorherrschenden Bedingungen politischer Reaktion, dieses Ideal gnadenlos angegriffen wird.
Natürlich war die Amerikanische Revolution keine sozialistische Revolution und konnte es aufgrund der Umstände ihrer Zeit auch nicht sein.
Bei ihren radikalsten Gedankengängen machte sie sich jedoch eine gewisse sozialistische Rhetorik zu eigen, die den etablierten Reichtum und die ihn stützende Ideologie aufs Korn nahm. In den bewegten Tagen des Septembers 1789 schrieb Jefferson aus Frankreich an Madison, zwei Monate, nachdem er an der Erklärung der Menschen- und Bürgerrechte mitgewirkt hatte:
Ich gehe von der Selbstverständlichkeit aus, „dass die Erde den Lebenden zur Nutznießung gehört“, dass die Toten weder Macht noch Rechte über sie haben. Der von einem Einzelnen besetzte Teil hört auf, ihm zu gehören, wenn er nicht mehr ist, und fällt an die Gesellschaft zurück.
Zu diesem Zeitpunkt war es noch nicht möglich, die Ursprünge des Privateigentums, des Staates oder der sozialen Klassen zu erkennen – Entdeckungen, die erst mit der weiteren Entwicklung des Kapitalismus und der Arbeit von Marx und Engels ein halbes Jahrhundert später folgen sollten. Doch die anti-aristokratische Politik und Philosophie der Revolution führten dazu, dass in den USA die Arbeit, die seit jeher als Fluch der Niedrigen angesehen worden war, auf demokratische Weise erhöht wurde. Die fundamentalste und grundlegendste Trennung innerhalb der Gesellschaft bestand lange Zeit zwischen denen, die arbeiteten – der großen ungewaschenen Masse – und denen, die nicht arbeiteten – der Aristokratie. „Diese soziale Spaltung, diese ‚älteste und universellste aller Spaltungen der Menschen‘, war stärker als alle anderen in der Kultur, selbst die zwischen Freien und Versklavten, die uns so stark ins Auge fällt“, stellt der Historiker Gordon Wood fest.
Die Amerikanische Revolution diente der Verteidigung des Eigentums gegen imperiale Übergriffe, was oft vereinfacht in dem Satz „no taxation without representation“ (keine Besteuerung ohne Vertretung) zusammengefasst wird. Mit der Zeit entwickelte sich dies zu einer Verteidigung aller Formen des Eigentums – für die Sklavenhalter im Süden sogar des Eigentums an Menschen. Und doch war die gängige Auffassung in den Tagen der Revolution, dass das Privateigentum aus einem älteren und ursprünglicheren Recht, nämlich dem des selbst geschaffenen Eigentums, hervorgegangen sein muss. Nach dieser frühen Arbeitswerttheorie – die übrigens 1776, im selben Jahr wie die Unabhängigkeitserklärung, von Adam Smith in seinem berühmten Werk Der Wohlstand der Nationen entwickelt wurde – konnte Reichtum nur durch die Anwendung von Arbeit auf einen Naturzustand entstehen. Die Sklaverei stand in auffallendem Gegensatz zu diesem neuen Gedanken.
In den Nordstaaten wurden sowohl die Sklaverei als auch die Leibeigenschaft bald abgeschafft. Der kulturelle Aspekt der demokratischen Revolution im Norden war so umfassend, dass das Wort „Master“, das 1770 allgegenwärtig war, aus dem Sprachgebrauch zur Beschreibung von Arbeitsbeziehungen verschwand und durch das aus den Niederlanden stammende „Boss“ ersetzt wurde. Auch das Wort „Servant“ (Diener) wurde praktisch verbannt, wie die englische Reisende Frances Trollope in ihrem Buch über die Sitten der Amerikaner (Domestic Manners of the Americans) 1832 erstaunt berichtete. Die Suche nach Hausangestellten unter Verwendung des Begriffs „Servant“, schrieb Trollope, „ist kein geringer Verrat an der Republik“. Die Kehrseite der Medaille war freilich die zunehmende Einführung der Ausbeutung, die der Lohnarbeit innewohnte und durch scheinbare Freiwilligkeit verdeckt wurde. In Wirklichkeit steht es Lohnarbeitern damals wie heute praktisch ebenso wenig frei, nicht zu arbeiten, wie Sklaven, weshalb frühe Gewerkschaftler von „Lohnsklaverei“ sprachen. Aber das ist jetzt nicht das Thema.
Die Entwicklung im Süden verlief völlig anders. In der Zeit der Revolution und unmittelbar danach finden sich zahlreiche Beispiele dafür, dass Gründerväter, die selbst Sklaven hielten, die Sklaverei verurteilten und sogar Schritte unternahmen, um das, was sie schamhaft „die besondere Institution“ nannten, allmählich aus der Welt zu schaffen. Doch mit der Industrialisierung in England stieg die Nachfrage nach Baumwolle und damit auch der Wert der Sklaven stark an. Diese blutige Geschichte erinnert an Balzacs Feststellung, dass hinter jedem großen Vermögen ein Verbrechen steht. Auf der Grundlage von Baumwolle und Sklaverei entstand in der Zeit vor dem Amerikanischen Bürgerkrieg eine neue, niederträchtige amerikanische Aristokratie, die die Proklamation der Gleichheit aller Menschen in der Unabhängigkeitserklärung im Nachhinein bereute.
Im Jahr 1848, als in Europa ein gewaltiger revolutionärer Sturm losbrach, in dem die Arbeiterklasse erstmals als eigenständige gesellschaftliche Kraft auftrat – im selben Jahr, in dem Karl Marx und Friedrich Engels das Kommunistische Manifest veröffentlichten – hielt Senator John C. Calhoun, der führende Verfechter der Sklaverei in Amerika, eine Rede, in der er Jefferson und die Unabhängigkeitserklärung angriff. Calhoun beschwerte sich über den seiner Meinung nach „falschesten und gefährlichsten aller politischen Irrtümer“ in dieser Erklärung.
Er fuhr fort:
Der Satz, auf den ich anspiele, ist in den Köpfen einer großen Mehrheit auf beiden Seiten des Atlantiks zu einem Axiom geworden und wird täglich von Zunge zu Zunge als feststehende und unumstößliche Wahrheit wiederholt; er lautet: „Alle Menschen sind frei und gleich geboren.“
1857 nahm George Fitzhugh, ein weiterer Propagandist der Sklaverei im Süden, die Erklärung ebenfalls aufs Korn. In seinem Traktat Cannibals All! Or: Slaves Without Masters, schrieb Fitzhugh:
Wir gelangen zu dem Schluss, dass etwa neunzehn von zwanzig Individuen „ein natürliches und unveräußerliches Recht“ haben, versorgt und beschützt zu werden; Vormünder, Treuhänder, Ehemänner oder Herren zu haben; mit anderen Worten, sie haben ein natürliches und unveräußerliches Recht, Sklaven zu sein… Freiheit für Wenige – Sklaverei, in jeder Form, für die Masse!
Ich möchte noch auf einen ganz ähnlichen Angriff auf die Unabhängigkeitserklärung eingehen, der jüngeren Datums ist. 1996 veröffentlichte Robert H. Bork, ein gescheiterter Kandidat der extremen Rechten für den Obersten Gerichtshof, ein Buch mit dem Titel Slouching Towards Gomorrah (Abgleiten in Richtung Gomorrah), in dem er an Calhouns giftigen Hass auf Gleichheit anknüpfte. Die „wohlklingenden Sätze der Unabhängigkeitserklärung sind kaum nützlich, ja können sogar schädlich sein, wenn sie, wie es häufig der Fall ist, als Leitfaden für staatliches oder privates Handeln genommen werden“, so Bork. „Die Worte gehen in Richtung von Extremen der Freiheit und des Strebens nach Glück, die der persönlichen Zügellosigkeit und der sozialen Unordnung Vorschub leisten.“
Jefferson, so beklagt Bork, „war ein Mann der Aufklärung, und die Unabhängigkeitserklärung ist ein Dokument der Aufklärung.“ Borks Angriff auf die Aufklärung und die Unabhängigkeitserklärung sind aus mindestens zwei Gründen bemerkenswert. Erstens, weil Bork gemeinhin als der intellektuelle Pate der berobten Verschwörung gegen die Demokratie angesehen wird, die gemeinhin als „die Mehrheit am Obersten Gerichtshof“ bezeichnet wird. Und zweitens, und das ist noch wichtiger, weil David North bereits 1996 eine ausführliche Antwort auf Borks Angriff verfasst hat. In einer Broschüre mit dem Titel Gleichheit, Menschenrechte und Sozialismus machte er deutlich, dass die Arbeiterklasse sich anschickt, bei der Verteidigung demokratischer Rechte die Führung zu übernehmen.
Die Hoffnung auf einen Kompromiss mit einer solchen herrschenden Klasse, wie sie die Oligarchie der Sklavenhalter darstellte, war noch abwegiger als die Vorstellung der reformorientierten Gründerväter von 1774, man könne sich mit König Georg III. einigen, einem für damalige Verhältnisse aufgeklärten Despoten. Noch absonderlicher sind die Bittgesuche, die heute von Leuten wie Bernie Sanders an die amerikanische Finanzaristokratie gerichtet werden – wahrhaft eine Macht, der man sich ehrfürchtig auf Knien nähern sollte!
Aber noch kein Teufel hat jemals freiwillig seine Krallen beschnitten. Die Sklaverei konnte nur durch eine zweite große amerikanische Revolution abgeschafft werden, die von einer neuen Generation von Führern wie Abraham Lincoln, Frederick Douglass, U.S. Grant und Thaddeus Stevens angeführt wurde. Um den Preis von, wie Historiker heute schätzen, 750.000 Toten wurde die Sklaverei vernichtet. Der aufstrebende amerikanische Kapitalismus rang dem britischen Kapitalismus die Vorherrschaft über die Wirtschaft der Südstaaten ab. So wurde der größte kapitalistische Binnenmarkt der Welt geschaffen. Vollendet wurde die demokratische Revolution in den USA mit der Einführung des 13., 14. und 15. Zusatzartikels zur Verfassung während der Reconstruction – der Wiederaufbau-Periode nach dem Bürgerkrieg, die im US-Kongress von den Radikalen Republikanern mit Stevens an der Spitze vorangetrieben wurde – und mit der Zerschlagung des Ku-Klux-Klans durch Grant während der militärischen Reconstruction. Letzteres ist Gegenstand einer neuen Studie von Fergus Bordewich.
Die radikalsten Republikaner, angeführt von Stevens, versuchten, im Süden eine Koalition aus befreiten Sklaven und armen Weißen zu schmieden, von denen viele im Bürgerkrieg zur Union gehalten hatten. Stevens, der von seinen Gegnern als „Gleichmacher“ verdammt wurde, war davon überzeugt, dass dieses Ziel nur erreicht werden konnte, wenn das Land der abtrünnigen Plantagenbesitzer des Südens beschlagnahmt und unter den Armen – Schwarzen wie Weißen – neu aufgeteilt würde. Dafür hatte es während des Krieges sogar einen Präzedenzfall gegeben, nämlich General William Tecumseh Sherman’s „Special Field Order 15“, die Anfang 1865 erlassen wurde. Darin war vorgesehen, befreiten Sklaven „40 Hektar und ein Maultier“ zu geben – was nach „250 Jahren nicht entlohnter Arbeit“, wie Lincoln sagte, nur recht und billig war.
Lincolns Republikaner führten die größte Enteignung von Privateigentum in der Geschichte durch, die es vor Lenins Bolschewiki gegeben hatte: die entschädigungslose Befreiung der Sklaven. In diesem Punkt, der Abschaffung der Sklaverei, war die Republikanische Partei eine revolutionäre Partei. Doch es war auch eine bürgerliche Partei. Dieser Teil ihres Charakters wurde durch die atemberaubende Entwicklung der kapitalistischen Industrie und des Finanzwesens während des Bürgerkriegs genährt.
Außerdem hatte der Bürgerkrieg, wie Marx vorausgesehen hatte, der Entwicklung der Arbeiterklasse einen gewaltigen Anstoß gegeben. Marx schrieb im Kapital:
In den Vereinigten Staaten von Nordamerika blieb jede selbständige Arbeiterbewegung gelähmt, solange die Sklaverei einen Teil der Republik verunstaltete. Die Arbeit in weißer Haut kann sich nicht dort emanzipieren, wo sie in schwarzer Haut gebrandmarkt wird. Aber aus dem Tod der Sklaverei entspross sofort ein neu verjüngtes Leben. Die erste Frucht des Bürgerkriegs war die Achtstundenagitation, mit den Siebenmeilenstiefeln der Lokomotive vom Atlantischen bis zum Stillen Ozean ausschreitend, von Neuengland bis nach Kalifornien.
Vor dem Hintergrund der zunehmenden Arbeitskämpfe im Norden begannen die dominierenden Fraktionen der Republikanischen Partei, Stevens und seine Umverteilungspläne zu fürchten – einschließlich der New York Times, deren gegenwärtige Verteidigung des Privateigentums nicht gerade neu ist. Im Jahr 1867 schrieb die Times als Reaktion auf Stevens’ Forderung nach Beschlagnahmung und Neuaufteilung der Ländereien der Südstaaten-Oligarchen:
Wenn der Kongress die Ansprüche der Arbeit gegen das Kapital anerkennen soll, … kann es keinen vernünftigen Grund geben, dieses Anliegen auf die Sklavenhalter des Südens zu beschränken. Es ist keine Frage der Menschlichkeit, keine Frage der Loyalität, sondern eine Frage des grundsätzlichen Verhältnisses von Industrie und Kapital; und früher oder später wird es, wenn es im Süden begonnen hat, seinen Weg in die Städte des Nordens finden … Der Versuch, die Konfiszierung von Land in den Südstaaten unter dem Vorwand zu rechtfertigen, den befreiten Sklaven Gerechtigkeit widerfahren zu lassen, berührt die Wurzel aller Eigentumsrechte in beiden Sektionen. Es betrifft Massachusetts genauso wie Mississippi.
Was in der Republikanischen Partei an Radikalität noch übrig geblieben war, überstand die 1870er Jahre nicht. Stevens starb 1868 – was der Konservative James G. Blaine als „die Emanzipation der Republikanischen Partei“ begrüßte. Dann kam die Pariser Kommune von 1871 und versetzte die Kapitalistenklasse, die sich in Amerika auf Kosten einer wachsenden Arbeiterklasse sehr schnell bereicherte, in Angst und Schrecken. Die Times räumte ein, dass die Kommune die Sprengkraft offenbart habe,
die unter jeder großen Stadt lauert. Sie explodiert in Amerika nicht so leicht wie in Europa, ist aber auch hier mit all ihren schrecklichen Bestandteilen vorhanden… die schuftende, unwissende und verarmte Menge, die ihren gerechten Anteil am Wohlstand der Reichen fordert.
Diese Ängste waren begründet. Ein Jahr, nachdem die Amerikaner 1876 den hundertsten Jahrestag ihres Landes gefeiert hatten, schlug der Klassenkampf in den USA mit ungeheurer Wucht zu. Es kam zum „Great Uprising“, einem gewaltigen Streik der Eisenbahner, sowie Solidaritätsstreiks und Generalstreiks, die das ganze Land erfassten. Sie fanden nicht zufällig genau in dem Jahr statt, in dem die Reconstruction im Süden endgültig zu Ende ging. Gleichzeitig hatte der amerikanische Kapitalismus einen dreißig Jahre währenden Krieg entfesselt, um die in den Great Plains lebenden indigenen Völker zu vertreiben, die sich nicht mit der Idee des Privateigentums abfinden konnten, derzufolge Land im Gegensatz zu Luft und Wasser verkauft werden konnte. „Mein Verstand lehrt mich, dass Land nicht verkauft werden kann“, sagte Häuptling Black Hawk. „Verkaufen kann man nur Dinge, die man wegtragen kann.“
An dieser Stelle möchte ich auf eine grundlegende Meinungsverschiedenheit mit einem Großteil der Geschichtsschreibung über diese Zeit hinweisen, die meiner Meinung nach auf stalinistische Konzeptionen über die amerikanische Geschichte aus den frühen 1930er Jahren zurückgeht. Eric Foner, der führende Reconstruction-Forscher, nennt diese Zeit „Amerikas unvollendete Revolution“. Ein neueres Buch, das derzeit stark beworben wird, ist The Rise and Fall of the Second American Republic: Reconstruction, 1860-1920 von Manisha Sinha. Sie macht geltend, dass die Reconstruction bis zur Regierung Wilson andauerte und dann zusammen mit der Republik unterging. Eine andere Version dieser These stammt von Heather Cox Richardson von der Yale University, die kürzlich ein unterwürfiges Interview mit Außenminister Antony Blinken geführt hat. Richardson hat schon früh die heute weit verbreitete Vorstellung vertreten, dass der Süden den Bürgerkrieg in Wirklichkeit gewonnen habe. Das ist Unsinn. Die Klasse der Sklavenhalter im Süden wurde als Klasse liquidiert. Aber die amerikanische herrschende Klasse als Ganzes vollzog nach der Reconstruction einen starken Rechtsruck. Dies führte dazu, dass im Süden die Überreste der alten bourbonischen Aristokratie zu Abgeordneten wurden.
Um Trotzki zu paraphrasieren: Hinter solch vagen historischen Kategorisierungen wie „unvollendete Revolution“ steckt eine politische Prognose. Wenn die Vereinigten Staaten nicht einmal ihre demokratische Revolution vollendet haben, wie kann man dann eine sozialistische Revolution ins Gespräch bringen? Bestenfalls kann man hoffen, Druck auf den Teil der herrschenden Klasse auszuüben, der als fortschrittlicher… oder zumindest als weniger faschistisch angesehen wird. Dies ist natürlich die Grundposition der amerikanischen Pseudolinken. Daraus erklärt sich das unwürdige Schauspiel – das stark an eine Petition an den Zaren erinnert –, dass die Pseudolinke die Jugend auffordert, an die Thronfolgerin Kamala Harris zu appellieren, den Völkermord in Gaza zu stoppen. Leider stößt das unterwürfige Flehen der Pseudolinken bei den Damen und Herren der Demokratischen Partei auf taube Ohren.
Die Theorie der permanenten Revolution besagt nicht, dass es in den USA oder Frankreich nie eine bürgerlich-demokratische Revolution gegeben hat. Und sie unterstellt nicht, wie es die Rückschrittler im Zweiten Weltkrieg behaupteten, dass der Aufstieg des Faschismus den Sozialismus zur Chimäre gemacht habe und man nur noch auf einen neuerlichen Kampf für die „nationale Befreiung“ hoffen könne, der alle Klassen und Schichten einbeziehe und im Grunde einer demokratischen Revolution gleichkomme – ein Thema, das Genosse North in Das Erbe, das wir verteidigen behandelt und auf das Genosse Joe Kishore in seinem Vortrag vor der SEP-Sommerschule im vergangenen Jahr eingegangen ist.
Um auf die Reconstruction zurückzukommen: In diesen Jahren entstand der Sozialismus erstmals als eigenständige politische Richtung unter amerikanischen Arbeitern. Der Kampf für den Aufbau einer sozialistischen Bewegung im Herzen des Kapitalismus in den letzten 150 Jahren war nicht einfach – es war ein Kampf mit vielen Helden und Märtyrern, Siegen, Niederlagen und vielem, das gelernt werden musste. Die Besonderheiten der Entwicklung des amerikanischen Kapitalismus führten, wie wir wissen, zur Entstehung der reichsten Bourgeoisie der Welt und des mächtigsten imperialistischen Staates – des skrupellosesten Gegners der Arbeiterklasse. Unter diesen Bedingungen bildete sich auch eine breite Mittelschicht heraus, deren Wurzeln zunächst bei Kleinbauern, Händlern und Gewerbetreibenden und später bei Angestellten lagen. Sie hielt den Anschein einer gewissen Unabhängigkeit von der bürgerlichen Politik aufrecht. Diese Mittelschicht, die von oben durch die Kapitalisten unter Druck gesetzt wurde und in ihren unteren Schichten der Arbeiterklasse nahe stand, bildete die soziale Basis des amerikanischen Radikalismus in seinen vielfältigen Erscheinungsformen – Abolitionismus, Populismus, Progressivismus, die verschiedenen Bürgerrechts- und Antikriegsbewegungen – und, wie Genosse North in den 1970er Jahren in einer Reihe von Artikeln erklärte, für die spezifisch amerikanische Variante der Philosophie des Pragmatismus. Ein großer Teil des Kampfs für den Sozialismus in Amerika bestand darin, die Arbeiterklasse von der Bevormundung durch diese Mittelklasse zu befreien.
Aber die reichste Bourgeoisie der Welt ist heute finanziell und nicht zuletzt auch moralisch bankrott. Von einer unabhängigen Mittelschicht kann keine Rede mehr sein. Diejenigen unterhalb des Niveaus der Superreichen, d. h. die oberen 5 oder 10 Prozent der reichsten Haushalte – ein wichtiger Teil davon sind besser gestellte Akademiker und die Gewerkschaftsbürokratie – sind die eigentliche politische „Basis“ der beiden großen kapitalistischen Parteien und ihrer Satelliten, der angeblichen „Drittparteien“. Sie sind neidisch auf das oberste 1 Prozent und untereinander missgünstig, leben aber dennoch im Zustand der Abhängigkeit von ihren Herren, genau wie ihre königstreuen Vorfahren vor 250 Jahren. In diesen sozialen Schichten und ihren diversen ideologischen Formationen gibt es keine einzige Tendenz, die ernsthaft behaupten kann, demokratische Rechte zu verteidigen, geschweige denn für die Arbeiterklasse zu sprechen. Dies kann bei den Wahlen 2024 nur die SEP-Kampagne von Joe Kishore und Jerry White für sich beanspruchen.
Betrachtet man den langfristigen Verlauf der amerikanischen Geschichte, so haben wir im vergangenen Jahr einen gewissen Wendepunkt erreicht. Oder in der Sprache der Dialektik: Die quantitative Aushöhlung der demokratischen Normen in den letzten Jahrzehnten – die notwendig war, um imperialistische Kriege zu führen und eine Anhäufung von Reichtum zu verteidigen, die die alten Aristokraten und Sklavenhalter in den Schatten stellt – hat nun zu einer qualitativen Veränderung geführt. Diesen Prozess wird Tom Carter in seinem Bericht erläutern.
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